Montag, 8. Februar 2010

Axolotl Roadkill

Exotischer Titel, erfunden von einem "Wunderkind". Der Generationenroman der Nuller Jahre, schreibt das Feuilleton. Ich habe das Buch nicht gelesen, dafür aber Maxim Billers bettnässende Lobhudelei darauf. Hart, schmutzig, dreckig, grausam sei das Buch der 17-Jährigen Bürgertochter, es gehe um Drogen, Tod, Sex und Sadismus, um "den Bodensatz der Berliner Bohème." Die originäre Verzweiflung der Jugend solle es widerspiegeln, in all ihrer Wucht.
Ich sehe mich um, im Deutschland der soeben beendeten Nuller Jahre. Ich sehe Wohlstand, ich sehe Übersättigung, ich sehe gemütliche Bürgerlichkeit, Lethargie, Pseudorebellion, in Posen, leeren Phrasen verharrend, ich sehe die endgültige Vermarktung des letzten Gedankens, der letzten Ideale, der letzten verbleibenden Werte. Eine Jugend, erstarrt in der wohligen Selbstgefälligkeit einer Gesellschaft, in der nichts mehr Gewicht zu haben scheint, in der immer weniger die Menschen bewegt.
Ich kann beim besten Willen keinen Schmutz entdecken, keinen Funken Wut, keine Verzweiflung. Das alles, dieses Szenario eines verlassenen Teenagers, der im Drogenrausch in zynischen Clubs und Wohnungen von resignierten kaputten Menschen dahinsiecht, auf ein selbstgewähltes, dukelromantisches Ende hin, das Mademoiselle Hegemann da beschreiben soll, erscheint mir wie das sorgsam zurechtgeharkte Terrarium eines exotischen Tiers, umgeben von Glasscheiben, synthetisch, in eine Umgebung hinein, mit der es nichts zu tun hat.
Mich haben die heutigen Headlines vom Plagiatsvorwurf an Hegemann nicht einmal überrascht. Es war vielmehr die Bestätigung für meine Gewissheit: Dies hat niemals ein Bildungsbürger-Teenager geschrieben. Dies hat ein Blogger Ende Zwnazig verfasst, der jahrelang in der Technoszene unterwegs war, alle erdenklichen Drogen ausprobiert und bereits die halbe Welt bereist hat. Und irgendwie stimmt es mich auch traurig, denn hiermit geht nur noch eine weitere der letzten ausdörrenden Utopien zur Neige: die des wahrhaftigen, ehrlichen Künstlers. Es ist nicht einmal mehr eine Schande, eins zu eins zu kopieren. Wichtig ist nur das Konstrukt des perfekten kleinen Shootingstars, der die vollgefressenen Hirntoten da draussen für ein paar Momente aus ihrem Winterschlaf schreckt, mit ein paar wohlgesetzten perversen Schauern. Der Star hat recht, denn er wird in den Blättern hochgejubelt, sein Gesicht erscheint auf Hochglanzpapier und in Pixeln auf Bildschirmen. Der Künstler, der in der Anonymität wahre Kunst schafft, aus echtem Drang heraus, aus etwas das man Kreativität nennt, ist selber schuld, wenn er das nicht hinbekommen hat.
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